Das Zürcher Independent Film Projekt «Tranquillo» erzählt die Geschichte von Peter, ein ehrgeiziger Mittzwanziger, dessen Leben durch ein Tinnitus aus den Fugen gerät. Speziell am Projekt ist, dass der Film ohne die gewohnten Fördergelder realisiert wird. Nach über zwanzig Drehtagen wurde nun die letzte Klappe geschlagen. Wir haben uns mit dem Regisseur und Drehbuchautor Jonathan Jäggi und der Produzentin Selina Späni getroffen.
Was unterscheidet Tranquillo von anderen Spielfilmen?
Selina: Als wir die Entscheidung getroffen haben, einen „Anarcho-Film“ zu drehen, haben wir uns bewusst gegen starre Hierarchien in der Produktion des Filmes entschieden. Nebst einem vierköpfigen Kernteam, entsteht der Film in einem Kollektiv, was sehr spannend ist. Sowohl die Crew, als auch die Schauspieler haben bei uns Mitspracherecht. Beispielsweise haben wir bei den Schauspielproben vor den Dreharbeiten das Drehbuch unzählige Male überarbeitet. Die Fragestellung und die Struktur des Drehbuchs sind jedoch stets gleich geblieben. So ist eine kleine Familie herangewachsen, die sehr engagiert ist und mit viel Herzblut an die Sache ran geht.
Normalerweise dreht man als Jungfilmer zuerst einige Kurzfilme. Weshalb hab ihr euch entschieden als Debut gleich einen Spielfilm zu drehen?
Jonathan: Nicolas Walker vom Quottom Magazin und ich haben uns vor ungefähr drei Jahren im Ping-Pong Prinzip gegenseitig Dialoge geschrieben. Daraus ist schliesslich ein Drehbuch entstanden. Als wir eines Abends einen gemeinsamen Freund wiedergetroffen haben, welcher uns die bewegende Geschichte über seinen Tinnitus erzählt hat, war uns beiden klar, dass wir daraus einen Film machen wollen. So haben wir also die Geschichte mit unseren Dialogen verknüpft und die Geschichte in unserem Umfeld angesiedelt. Das Format Kurzfilm hätte nicht die nötige Aussagekraft gehabt, um der Geschichte gerecht zu werden.
Tranquillo ist ein Independent Film mit limitiertem Budget. Weshalb habt ihr euch gegen den klassischen Weg der Filmförderung entschieden?
Am Anfang wollten wir tatsächlich Fördergelder beantragen. Nach einer Woche Papierarbeit haben wir die Idee jedoch verworfen, weil uns bewusst wurde, dass der Film so scheitern würde. Denn als Newcomer hatten wir nicht genügend Kurzfilme auszuweisen, welche bei der Eingabe bei den Förderungsanstalten ein absolutes „Must“ ist. Wir hätten also keinen Rappen an Filmfördergeldern erhalten. So waren wir quasi gezwungen diesen „Anarcho-Weg“ einzuschlagen. Nachdem uns auch unsere Mentoren dazu ermutigt haben diesen Weg zu wagen, haben wir unser Kernteam mit Tobias Kubli (Kamera) und Gabriel Erismann (Montage) gegründet und arbeiten seither Hand in Hand an dem Projekt.
Wie sähe eurer Meinung nach denn ein ideales Kunst/Kultur-Fördersystem aus?
Jonathan: Ein schöner Gedanke, den ich einmal von einem Bekannten gehört habe ist, dass jeder Steuerzahler auf einer Plattform eine beschränkte Anzahl von Punkten an Kultur und Kunstprojekte verteilen könnte, welche dem eigenen Geschmack entsprechen. So würde also demokratisch abgestimmt, welche Projekte wie viele Fördergelder erhalten würden. Dies finde ich ein interessanter Ansatz. Meiner Meinung nach sind die Gefässe der Schweizer Filmförderung viel zu starr. Denn man gilt beim Arbeiten mit dem Medium Film nicht als Kultur-, sondern als Filmschaffender, was sehr einschränkt. «Tranquillo» sehen wir als Kulturprojekt, welches nicht in die gewohnten Schemas reinpasst. So haben wir also keine Möglichkeiten an Subventionen zu kommen. Andere Disziplinen wie die Musik haben es diesbezüglich oft leichter.
Würdet ihr nochmals einen „Anarcho-Spielfilm“ drehen?
Selina: Das ist eine schwierige Frage. Das Projekt war sicherlich ein bisschen grössenwahnsinnig. Am Anfang war uns gar nicht bewusst, welche Dimension das Projekt annehmen würde. Spätestens am ersten Drehtag, als wir eine komplette Crew und Schauspieler auf dem Set hatten, wurde uns langsam klar, auf was wir uns eingelassen haben. Aber die vielen einzigartigen Erfahrungen, die vielen positiven Feedbacks und die unermüdliche Unterstützung unseres Kollektivs haben uns stets motiviert weiter zu machen.
Wie geht es mit Tranquillo nun weiter?
Der Film ist momentan in der Postproduktion und wird im Herbst 2016 fertig gestellt. Ein Traum von uns wäre, wenn wir den Film in irgendeiner Form im Kino und an Filmfestivals zeigen könnten. Das haben wir uns von Anfang an gewünscht. Alles andere ist jedoch noch offen.
Mehr Infos zum Film gibts unter: www.tranquillo-film.ch
Exklusive Stills aus dem Film «Tranquillo»:
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