Man könnte meinen, dass nach mehr als einem Jahr Pandemie eine postapokalyptische Abenteuerkomödie so ziemlich das Letzte wäre, was man als Filmfreund*in sehen möchte. Michael Matthews‘ unwiderstehlich charmanter «Love and Monsters» liefert den Gegenbeweis.
«Irgendwie haben wir doch alle immer gewusst, dass die Welt früher oder später untergehen würde.» Mit diesen lakonischen Worten heisst uns Joel (Dylan O’Brien) willkommen in der Welt von «Love and Monsters». Damit spricht der 23-jährige Witzbold wohl nicht wenigen Publikumsmitgliedern aus der Seele: Im Angesicht von salonfähig werdenden Neofaschist*innen, sich stetig erhitzenden geopolitischen Pulverfässern, ungezügeltem Klimawandel und, natürlich, der COVID-19-Pandemie ist es schwierig geworden, sich nicht öfter als auch schon auszumalen, wie man sich wohl in einem Szenario à la «Children of Men» (2006) oder gar «The Walking Dead» (2010– ) schlagen würde.
Für Joel wurden diese Fantasien sieben Jahre vor Filmbeginn tatsächlich blutiger Ernst. Denn nachdem die Nationen der Welt erfolgreich zusammenspannten und einen Asteroiden auf Erd-Kollisionskurs mithilfe von Raketen in seine Einzelteile zerlegten, sorgte der chemische Fallout ebendieser Raketen für die Mutation aller kaltblütiger Lebewesen auf der Erde: Vom Krokodil über den Frosch bis hin zur Ameise wuchs alles auf eine stattliche Grösse an und verdrängte die Menschheit flugs von der Spitze der Nahrungskette.
Inzwischen haben sich die wenigen Überlebenden in Untergrundbunker zurückgezogen, wo sie in kleinen «Kolonien» leben. Joel verdingt sich als Koch in einer harmonischen Kommune, in der sich die Postapokalypse im Grunde gut aussitzen lässt. Doch es plagen ihn nicht nur gewisse Minderwertigkeitskomplexe, weil er von begabten Kämpfer*innen umgeben ist, welche die Kolonie vor kaltblütigen Eindringlingen verteidigen können; er trauert auch seiner verflossenen Liebe nach, der gleichaltrigen Aimee (Jessica Henwick), von der er zu Beginn der «Monsterpocalypse» getrennt wurde und mit der er erst seit einigen Monaten wieder per Funk in Kontakt ist. Als sich in seinen vier Wänden die Ereignisse überschlagen, fasst er einen Entschluss: Er will an die monsterverseuchte Oberfläche und die 135 Kilometer zu Aimees Kolonie zu Fuss zurücklegen.
«Es ist ein Jammer, dass ‹Love and Monsters› ausserhalb von Nordamerika nur auf Netflix verfügbar ist, ist die zweite Regiearbeit des Südafrikaners Michael Matthews doch genau die Art von lockerer, weitgehend eigenständiger Popcorn-Unterhaltung, die in den letzten Jahren von den grossen, verflochtenen Franchisen zunehmend von den Kinoleinwänden verdrängt worden ist.»
Es ist ein Jammer, dass «Love and Monsters» ausserhalb von Nordamerika nur auf Netflix verfügbar ist, ist die zweite Regiearbeit des Südafrikaners Michael Matthews («Five Fingers for Marseilles») doch genau die Art von lockerer, weitgehend eigenständiger Popcorn-Unterhaltung, die in den letzten Jahren von den grossen, verflochtenen Franchisen zunehmend von den Kinoleinwänden verdrängt worden ist: ein Film, der eine nicht sonderlich anspruchsvolle Geschichte erzählt, seine sympathischen Figuren eine komplette emotionale Reise durchlaufen lässt und sein Publikum so nach 109 kurzweiligen Minuten im Gefühl zurücklässt, ein in sich geschlossenes Werk gesehen zu haben.
Die Welt, die Brian Duffield («Spontaneous») und Matthew Robinson («The Invention of Lying») in ihrem Originaldrehbuch entwerfen, böte sich zwar durchaus für Fortsetzungen an, wirkt aber nicht in erster Linie, wie zuletzt etwa das Disney-Abenteuer «Raya and the Last Dragon», wie der Versuch eines Studio-Exekutivkomitees, ein neues «Cinematic Universe» in Umlauf zu bringen.
Stattdessen arbeitet «Love and Monsters» die «Zombieland»-Formel für eine Popkultur um, die der Untoten-Apokaylpsen langsam überdrüssig ist: Joel, der herzensgute, aber übermotivierte Tollpatsch, trifft auf monstererprobtere Oberflächenbewohner*innen – darunter ein vorlautes Mädchen (Ariana Greenblatt), einen kernigen Naturburschen («Walking Dead»-Veteran Michael Rooker) und einen ebenso bissigen wie niedlichen Hund – und lernt dank ihnen, wie er sich aus brenzligen Konfrontationen mit 15 Meter langen Killer-Tausendfüsslern retten kann. Und das natürlich immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen.
Gleichzeitig schaffen es Matthews, Duffield und Robinson aber auch, Joels rasanten Spiessrutenlauf mit stilleren, introspektiveren Momenten zu versehen, in denen der zunächst eher komödiantisch gepolte Protagonist ein gesundes Mass an emotionaler Tiefe erhält – und in denen der Film überraschend stark ans Herz geht. Das entschädigt wenigstens ein bisschen für die Darstellung von Aimee, deren Rolle zwar komplexer ist als die der im Schloss gefangenen Prinzessin, aber die sich letztendlich trotzdem nicht von allen genretypischen Geschlechterklischees befreien kann.
«Der Rückfall in veraltete Figurenzeichnungen vermag den Spass, den der Film bereithält, kaum zu trüben. Dafür ist ‹Love and Monsters› mit seiner kindlich verspielten, emotional aufrichtigen postapokalyptischen Vision schlicht zu unterhaltsam, zu charmant und – dem Weltuntergang zum Trotz – zu ermutigend.»
Doch dieser Rückfall in veraltete Figurenzeichnungen vermag den Spass, den der Film bereithält, kaum zu trüben. Dafür ist «Love and Monsters» mit seiner kindlich verspielten, emotional aufrichtigen postapokalyptischen Vision schlicht zu unterhaltsam, zu charmant und – dem Weltuntergang zum Trotz – zu ermutigend.
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Filmfakten: «Love and Monsters» / Regie: Michael Matthews / Mit: Dylan O’Brien, Jessica Henwick, Michael Rooker, Ariana Greenblatt, Dan Ewing, Ellen Holman, Tre Hale / USA / 109 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Paramount / Netflix
In «Love and Monsters» kämpft ein sympathischer Held gegen riesige Monster. Anspruchsvoll? Nein. Unterhaltsam? Oh ja!
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