Wer ein beliebtes Game verfilmt, braucht Fingerspitzengefühl – und in diesem Fall Durchhaltevermögen. Fast 10 Jahre dauerte die Produktion von «Borderlands». Nun flimmert der heiss erwartete Sci-Fi-Blockbuster rund um eine freakige Aussenseitertruppe im Weltall endlich über die Kinoleinwand. Eingefleischte Fans der Videospiel-Vorlage zeigten sich im Voraus kritisch – trotz hochkarätiger Besetzung und knalligem Look. Das Warten hat sich zum Teil gelohnt.
Im Grunde klingt der Auftrag simpel, besonders für eine erfahrene Kopfgeldjägerin wie Lilith (Cate Blanchett): Finde die verschwundene Tiny Tina (Ariana Greenblatt) und bringe sie zurück zu ihrem mächtigen Vater Atlas (Édgar Ramírez). Dafür muss Lilith allerdings auf ihren chaotischen Heimatplaneten Pandora zurückkehren, was sie nur widerwillig tut. Denn dort erwarten sie gefährliche Banditen, gefrässige Monster und einige schmerzhafte Erinnerungen. Ach ja, und Tiny Tina, deren Pubertät sich in Form einer menschgewordenen Abrissbirne äussert.
Da kommt die unerwartete Allianz mit Armee-Aussteiger Roland (Kevin Hart), Muskel-Maniac Krieg (Florian Munteanu), der kauzigen Forscherin Tannis (Jamie Lee Curtis) und dem unzerstörbaren Roboter Claptrap (gesprochen von Jack Black) fast schon gelegen. Schnell stellt die dysfunktionale Bande jedoch fest, dass es hier um weitaus Grösseres geht als die Suche nach einem sagenumwobenen Tresor und sie ihren Kampf nur auf eine Art gewinnen können: gemeinsam.
Als Lionsgate 2015 bekannt gab, dass das erfolgreiche Looter-Shooter-Game «Borderlands» von Gearbox Software in die Kinos kommen würde, waren die Fans komplett aus dem Häuschen – unter anderem, weil sich Avi Arad, Gründer der Marvel Studios, höchstpersönlich diesem Projekt widmete. Doch ihr Lieblingsspiel erfüllt auf dem Papier auch sämtliche Kriterien, die es für ein zündendes Popcornspektakel braucht: starke Figuren, schrille Looks, einzigartige Schauplätze und endlose Möglichkeiten. 2020 kam Eli Roth («Hostel», «Thanksgiving») als Regisseur dazu und startete mit dem Casting, das coronabedingt für kurze Zeit pausiert wurde. Ein Jahr später fiel der Startschuss für die Dreharbeiten – und der Rest ist Geschichte. So weit, so gut. Oder etwa nicht?
«Die Videospiel-Vorlage erfüllt sämtliche Kriterien für ein zündendes Popcorn-Spektakel: starke Charaktere, schrille Looks, einzigartige Schauplätze und endlose Möglichkeiten.»
Dieselben Fans, die damals lauthals ihre Vorfreude auf Social Media bekundeten, rieben sich ungläubig die Augen, als der erste Sneak Peek die Runde machte. Zwar wurden ihre Wünsche erhört und die heiss geliebte Welt zum Leben erweckt, nur eben völlig anders als erwartet. Der Film sei eher eine lose Adaption als ein genaues Abbild, hiess es von den Macher*innen. Zusätzlich sorgte die gewählte Besetzung für Kopfschütteln. Warum musste ausgerechnet die Mittfünfzigerin Cate Blanchett («Thor: Ragnarok», «Tár») die 21-jährige Lilith verkörpern? Ist Kevin Hart mit seinen 1,65 Metern nicht viel zu klein für den gross gewachsenen Roland? Und wo zur Hölle bleibt die allseits verehrte Figur Mortdecai?
Lässt man sich unvoreingenommen auf «Borderlands» ein, bietet der Film in seinen knackigen 100 Minuten beste Unterhaltung. Es macht Spass, in die trostlose und gleichzeitig actiongeladene Welt von Pandora einzutauchen. Die abgefahrenen Kulissen und waghalsigen Stunts reissen mit. Gefühlt jede existierende Farbe kommt zum Einsatz; es kracht im Minutentakt, bis die Ohren wackeln. Dadurch fühlt sich das Ganze tatsächlich an wie ein Videospiel – und das ist denn auch der Haken. Für langjährige Fans ist die Adaption zu weit weg vom Original, für alle anderen schlicht und einfach zu wenig originell. So fehlen «Borderlands» sowohl das nötige Commitment als auch der Mut zur Eigenständigkeit. Da helfen weder die amüsanten Sprüche von Publikumsliebling Claptrap noch die gewohnt lässige Badass-Attitude von Cate Blanchett.
Stichwort Cate Blanchett: Tatsächlich ist die Hauptrolle Lilith mit ihr ziemlich ungeschickt besetzt. Das liegt keineswegs an ihrem Alter oder der fehlenden Coolness, sondern einzig und allein an der Glaubwürdigkeit. So wirkt es etwa nicht allzu authentisch, dass sie die Ziehtochter der 65-jährigen Jamie Lee Curtis darstellt, denn das geht rein alterstechnisch nicht auf.
«Cate Blanchett macht fast schon den Eindruck einer abgelöschten Cosplay-Mutter, die ihrem Kind zuliebe eine orange Perücke aufsetzt.»
Zudem ist bis am Schluss unklar, ob sich Blanchett wirklich wohlfühlt bei der ganzen Sache. Sie macht fast schon den Eindruck einer abgelöschten Cosplay-Mutter, die ihrem Kind zuliebe eine orange Perücke aufsetzt und ein paar Einzeiler seines Lieblingsspiels auswendig lernt. Diese Annahme bestärkt ein Interview mit «Empire», in dem Blanchett ihre Zusage für die Rolle als «COVID-19-Verrücktheit» bezeichnet.
Ähnliches gilt für ihre Kollegin Jamie Lee Curtis. Im oscargekrönten Publikumsliebling «Everything Everywhere All At Once» (2022) hat sie eindrücklich bewiesen, dass sie für Science-Fiction und unkonventionelle Rollen gemacht ist. Hier fällt ihre Performance aber lustlos und zurückhaltend aus. Einziger Lichtblick in dieser Hinsicht ist Ariana Greenblatt («Love and Monsters», «65») , die als Rotzgöre Tiny Tina immerhin ein bisschen Pfeffer beisteuert.
«Es wirkt, als hätten sich die Macher*innen nur oberflächlich mit der Vorlage auseinandergesetzt und Lust bekommen, etwas ‹Cooles› mit einem willkürlich zusammengewürfelten Cast daraus zu machen.»
Grundsätzlich macht «Borderlands» also nichts falsch, aber eben vieles auch nicht richtig. Gebetet haben die Fans für einen cleveren Liebesbrief an ihr monumentales 2000er-Videospiel. Erhalten haben sie einen weiteren Sci-Fi-Kracher, der etwas unoriginell daherkommt und in ein paar Monaten vergessen sein wird. Es wirkt, als hätten sich die Macher*innen nur oberflächlich mit der Vorlage auseinandergesetzt und Lust bekommen, etwas «Cooles» mit einem willkürlich zusammengewürfelten Cast daraus zu machen. Das ist zwar schade um das Potenzial, aber trotzdem einen Gang ins Kino wert. Alle, die sich nicht zu sehr auf die Grundlage fixieren und leicht verdauliche Unterhaltung suchen, kommen mit Sicherheit auf ihre Kosten. Denn explodierende Plüschtiere, zynische Roboter und epische Kampfszenen machen eben doch immer wieder Freude.
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Kinostart Deutschschweiz: 8.8.2024
Filmfakten: «Borderlands» / Regisseur: Eli Roth / Mit: Cate Blanchett, Ariana Greenblatt, Kevin Hart, Florian Munteanu, Jamie Lee Curtis, Jack Black, Édgar Ramírez, Gina Gershon / USA / 100 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2024 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.
Zu weit weg vom Original, zu wenig originell als Eigenwerk: «Borderlands» ist solides Popcornkino mit hochkarätiger Besetzung und Explosionsgarantie, aber leider auch nicht mehr.
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