Grotesk, düster, gewitzt – in ihrem zweiten Spielfilm wirft «Promising Young Woman»-Regisseurin Emerald Fennell einen satirischen Blick auf die Oberschicht Grossbritanniens. Insgesamt liefert der Film viel Bewundernswertes, selbst wenn der Film inhaltlich seinem Anspruch nicht konsequent gerecht wird.
Obwohl Emerald Fennell erst 2020 ihren ersten Spielfilm, «Promising Young Woman», in die Kinos brachte, ist sie längst keine Unbekannte mehr. Für ihr Debüt wurde sie mit einem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet, und auch als Schauspielerin kennt man sie aus Filmen wie zuletzt «Barbie» (2023) oder der Netflix-Serie «The Crown». Mit «Saltburn» widmet sie sich nun einer Geschichte, die an einem Ort beginnt, den sie selbst gut kennt: ihrer Alma Mater, der Universität von Oxford.
Oliver Quick (Barry Keoghan), der an der renommierten Hochschule sein erstes Studienjahr beginnt, gehört dort nicht so richtig dazu. Es fällt ihm schwer, seinen Platz zu finden, liebäugelt aus der Ferne mit den coolen Kids, die sich alle zu einer Person hingezogen zu fühlen scheinen: Felix Catton (Jacob Elordi). Als sich die Wege der beiden eines Tages kreuzen, entwickelt sich schnell eine tiefe Freundschaft zwischen dem unterschiedlichen Duo. Während Oliver als Stipendiat auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, muss sich in Felix‘ Familie niemand Sorgen ums Geld machen – im Gegenteil. Das soll Oliver bald schon selbst erfahren, als ihn Felix über die Sommerferien nach Saltburn, ins Anwesen seiner Familie, einlädt.
Olivers erste Tage in Saltburn sind ein schräges, zunehmend unheimliches Vergnügen. Grund dafür ist nicht zuletzt Felix‘ exzentrische und eiskalte Mutter Elsbeth, gespielt von «Gone Girl»-Hauptdarstellerin Rosamund Pike. Mit ihrem grossartigen komödiantischen Timing findet sie den perfekten Ausdruck für den schwarzen Humor, der ihr der Film abverlangt und stiehlt damit dem gesamten Cast insgeheim die Show.
Auch Keoghan beweist bereits in den ersten Minuten des Films, dass er die perfekte Besetzung für Oliver ist. Es ist nicht das erste Mal, dass man ihn in der Rolle eines liebenswürdig wirkenden jungen Mannes sieht, dessen düstere Ausstrahlung sich im Laufe der Geschichte zunehmend manifestiert – man denke nur an seine Figuren in Yorgos Lanthimos‘ «The Killing of a Sacred Deer» (2017) oder Martin McDonaghs «The Banshees of Inisherin» (2022). Diese dunkle Seite lässt auch in Olivers Fall nach seiner Ankunft in Saltburn nicht lange auf sich warten.
«Irgendein makaberes Spiel wird hier gespielt, aber Fennell verrät nicht sofort, wer hier gerade wen hinters Licht führt.»
Irgendein makaberes Spiel wird hier gespielt, aber Fennell verrät nicht sofort, wer hier gerade wen hinters Licht führt. Felix‘ Schwester Venetia (Alison Oliver) findet offensichtlich gefallen am neuen Gast, während ihr Cousin Farleigh (Archie Madekwe) ihn am liebsten wieder loswürde. Sind es Felix und seine Familie, die Oliver nur als ein Spielzeug sehen? Oder ist es Oliver, der zu viel mehr fähig ist, als ihm das Publikum zu Beginn vielleicht zugetraut hat?
In dieser Übergangsphase, bevor der Film immer weiter in seine düstereren Ecken abdriftet, ist er am stärksten. Witzige Situationen und Pointen liefern sich einen Schlagabtausch mit weitaus groteskeren Elementen, sodass man als Zuschauer*in nicht immer genau weiss, ob man jetzt lachen darf oder sich dieses besser verkneifen sollte. Dass das Ganze nicht gut ausgehen kann, zeigt sich spätestens dann, als die Verstrickungen rund um die Geschehnisse auf dem Anwesen immer dichter werden. Leider verrennt sich auch Fennell in diesem dritten Akt zunehmend in ihrem Plot.
Die Anlehnung an Patricia Highsmiths Roman und Anthony Minghellas spätere Verfilmung «The Talented Mr. Ripley» (1999) scheint offensichtlich, aber dennoch schafft es «Saltburn» nicht, das Mysterium, das seine Hauptfiguren umgibt, lange genug am Leben zu erhalten. Mit etwas mehr Retrospektive als nötig wird der letzte Akt zu vorhersehbar und wirkt im Vergleich zum Rest sogar etwas langatmig. Für einen Psychothriller, der einen bis zuletzt in Atem halten soll, werden die Verstrickungen zu schnell aufgelöst, und für gehaltvolle Gesellschaftskritik gibt der Film inhaltlich zu wenig her.
«‹Saltburn› liefert die aufregende Achterbahnhfahrt, die er verspricht, und zeigt, dass man sich von der unglaublich talentierten Emerald Fennell in Zukunft viel erhoffen darf.»
Nichtsdestotrotz wäre es falsch, «Saltburn» in eine dieser Schubladen stecken zu wollen. Es ist ein selbstbewusster Film, der als Gesamtkonstrukt auch nicht zuletzt dank seiner starken Bildsprache sehr gut funktioniert. Er liefert die aufregende Achterbahnhfahrt, die er verspricht, und zeigt, dass man sich von der unglaublich talentierten Emerald Fennell in Zukunft viel erhoffen darf.
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Ab dem 22. Dezember 2023 auf Amazon Prime
Filmfakten: «Saltburn» / Regie: Emerald Fennell / Mit: Barry Keoghan, Jacob Elordi, Rosamund Pike, Richard E. Grant, Alison Oliver, Archie Madekwe, Carey Mulligan, Paul Rhys / Grossbritannien, USA / 131 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Amazon Content Services LLC
Emerald Fennells «Saltburn» bewegt sich gekonnt und aufregend zwischen pointiertem Humor und düsteren Geschehnissen, die im dritten Akt nicht immer ideal aufgelöst werden.
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