«Beetlejuice Beetlejuice» ist das langersehnte Sequel von – wer hätte das gedacht? – «Beetlejuice». Die Horrorkomödie von 1988 etablierte Regisseur Tim Burton als einen der spannendsten und skurrilsten Filmemachern Hollywoods. Heute, über 35 Jahre später, lädt Burton samt Originaldarsteller*innen Michael Keaton, Winona Ryder und Catherine O’Hara zu einer weiteren Runde. Auch wenn es manchmal wirkt, als hätten zu viele Köche an diesem Gebräu mitgemischt, überrascht der «Käfersaft» überwiegend mit Charme, Fingerspitzengefühl und Eigenwilligkeit.
Wir erinnern uns an die traumatischen Ereignisse, die Lydia Deetz (Winona Ryder) im originalen «Beetlejuice» heimsuchten: Sie zog mit ihrer Familie in ein Spukhaus und wurde von Beetlejuice (Michael Keaton) zur Heirat genötigt. Inzwischen hat es Lydia aber geschafft, aus ihrem Drama Profit zu schlagen: Als Moderatorin einer Reality-TV-Geisterjägershow sucht sie nach übernatürlichen Phänomenen.
Als ihr Vater plötzlich bei einem tragischen – aber wunderbar inszenierten – Unfall stirbt, kehrt sie in das pittoreske Häuschen auf dem Hügel zurück, um die Beerdigung zu organisieren und den Nachlass zu regeln. Ergänzt wird die Trauergemeinschaft durch Lydias extravagante Stiefmutter Delia, verkörpert von einer genauso extravaganten Catherine O’Hara («Elemental», «Home Alone»), und ihrer entfremdeten Tochter Astrid, gespielt von Jenna Ortega («Wednesday», «X»), die mit Smokey-Eyes und Grunge-Look wie eine exakte Teenager-Kopie ihrer Mutter wirkt.
Zeitgleich bahnt sich in der Unterwelt ein anderes Drama an: Beetlejuices Ex-Frau (Monica Bellucci) taucht auf, um sich an ihm zu rächen. Willem Dafoe («Poor Things», «The Northman») übernimmt den Fall als «cooler» Supercop und versucht, die Mörderbraut zu stellen. Das Chaos eskaliert, als versehentlich ein Portal ins Jenseits geöffnet wird und Beetlejuice, einmal mehr schaurig schön gespielt von Michael Keaton («Birdman», «Spotlight»), ins Reich der Lebenden zurückkehrt. Das altbekannte Chaos bricht erneut aus – sowohl in der Welt der Lebenden als auch in der der Toten.
«Beetlejuice» gilt zu Recht als Klassiker. Wie eine Wucht schlug die Horrorkomödie 1988 ein und zeigte die Qualitäten von Tim Burton, der in der Folge mit Filmen wie «Batman» (1989), «Edward Scissorhands» (1990), «Ed Wood» (1994) und «Big Fish» (2003) Weltruhm erlangen sollte. Seine Vision und sein avantgardistischer Ausdruck stechen derart aus dem Hollywood der Achtziger- und Neunzigerjahre hervor, dass es fast ein Wunder ist, wie erfolgreich er schliesslich wurde – vor allem, wenn man bedenkt, dass er einst als Disney-Animator gefeuert wurde, weil seine Arbeiten zu «dark and scary» waren. Bis heute zählt Burton zu den wenigen Filmschaffenden, die man sofort an ihrem visuellen Stil erkennt. Filmfans würden sich wohl streiten, welcher Burton-Film denn am «tim-burton-sten» ist, aber die bescheidene Meinung dieses Review-Verfassers ist ganz klar: «Beetlejuice».
«Der Kultfilm ‹Beetlejuice› ist eine perfekte Mischung aus liebevollem Nonsens, absurdem Horrorspass und expressionistischer Avantgarde.»
Der Kultfilm ist eine perfekte Mischung aus liebevollem Nonsens, absurdem Horrorspass und expressionistischer Avantgarde. Burtons Totenwelt strotzt nur so vor lebhaften, grünblau schimmernden Figuren, die durch desorientierende Gänge irren. Wege führen im Zickzack ins Unendliche, Schatten ziehen sich wie zähflüssige Molasse gen Horizont, leuchtende Farben pulsieren und erwecken so Szenen zum Leben. Neben den visuellen Elementen beherrscht der Film auch gekonnt den Balanceakt zwischen harmlosem Spuk und furchterregendem Schrecken. So sind die verstorbenen Maitlands (Alec Baldwin und Geena Davis) ebenso liebeswürdig wie grauenhaft. In einer Szene möchte man sie umarmen, in der nächsten kreischend vor ihnen fliehen. «Beetlejuice» wurde mit sehr viel Herz und Hirn gebastelt – entsprechend wusste Burton, welche zwei Organe er für sein Sequel verwenden muss.
Wie sein Vorgänger begeistert auch «Beetlejuice Beetlejuice» mit verrückten Ideen und jeder Menge beeindruckender visueller Effekte. Vor allem die Unterwelt, mit ihren kalten Grün- und Blautönen, ist ein Spektakel für das Auge. Auch in der Fortsetzung treiben sich in dieser Totenwelt unzählige schrullige Figuren herum. Im Wartesaal des Totenreichs etwa lauern frisch Verstorbene auf ihre Nummer, und nur ihre Blessuren verraten, wie sie gestorben sind: ein Surfer ohne Unterleib, ein Abenteurer mit Mückenstichen, ein Entfesselungskünstler eingeklemmt in einer winzigen Box. Es ist ein Heidenspass, diese Kreaturen zu entdecken und über deren Schicksaal zu grübeln.
«Besonders überraschend: Die meisten Untoten stammen nicht etwa aus dem Computer, sondern wurden von Hand gefertigt.»
Besonders überraschend: Die meisten Untoten stammen nicht etwa aus dem Computer, sondern wurden von Hand gefertigt. Man fragt sich, wie viele Stunden die Schauspieler*innen in der Maske verbringen mussten. Aber der Aufwand hat sich definitiv gelohnt, denn jede Szene bietet eine neue Überraschung. Selbstverständlich durchstreifen alle diese Figuren auch wieder einprägsam verzerrte Gänge, die immer wieder an Dr. Caligaris Cabinet erinnern. Und mit gekonnt integrierten Musicaleinlagen ist der Gruselspass nicht nur ein Fest für die Augen, sondern auch eines für die Ohren. Wie im Original verwandelt sich Beetlejuice auch im Sequel zu einem poppigen Popanz und präsentiert gleich mehrere musikalische Stücke, einem Troubadour des Terrors, der bittersüsse und alberne Songs aus der Westentasche zaubert.
Doch nicht nur die Unterwelt hat ihren Reiz. Das kleine Städtchen Winter River in Connecticut, in dem derweil die Lebenden weilen, spielt diesmal eine grössere Rolle. Während es im ersten Teil nur Mittel zum Zweck war, wird es im Sequel Schauplatz für Astrids kleines Seitenabenteuer. Mit dem Fahrrad düst sie durch das klassische Bild des charmanten «Small Town America» – vorbei an rot leuchtenden Feuerwehrwagen, nostalgischen Baumhäusern und viel gelbem Laub. Denn, welch Überraschung: Es ist gerade Halloween und das romantische Winter River ist eingehüllt in dunkle Nebelschwaden und orangefarbene Kürbis-Deko. Eine perfekte Kulisse für den Gruselspass, in die jeder Halloween-Fan sofort hineinspringen möchte.
Doch auch wenn die Welt von «Beetlejuice Beetlejuice» beeindruckt, ist das Highlight selbstsprechend die namensgebende Hauptfigur des Films. Nachdem Michael Keaton in «The Flash» (2023) erst kürzlich wieder als Batman zu sehen war – also in der Rolle, in der er in Burtons ersten zwei Blockbustern agierte –, kehrt er nun zu seiner wohl bekanntesten und beliebtesten Figur zurück. Voller Energie macht er da weiter, wo er 1988 aufgehört hat: Er klopft Sprüche unter der Gürtellinie, springt durch die Szenerie, schlägt Saltos und schwirrt charakterlich irgendwo zwischen schleimigem Autoverkäufer und erfolglosem Stand-Up-Comedian hin und her. Wie schon vor 36 Jahren spielt Keaton seinen Beetlejuice mit brennender Intensität. Kaum zu glauben, dass man es hier mit einem 73-jährigen Schauspieler zu tun hat.
Niemand mag Keaton seinen Platz im Zentrum der Aufmerksamkeit streitig machen, doch Catherine O’Hara kommt ihm ziemlich nahe. Als exzentrische Künstlerin Delia sorgt sie für die grössten Lacher im Kinosaal und sorgt dafür, dass sie endlich die ihr zustehende Anerkennung bekommt. (Fans der Serie «Schitt’s Creek» wissen das jedoch schon lange.)
«Wie schon vor 36 Jahren spielt Keaton seinen Beetlejuice mit brennender Intensität. Kaum zu glauben, dass man es hier mit einem 73-jährigen Schauspieler zu tun hat.»
Winona Ryder («Stranger Things») spielt ihre Rolle ebenfalls hervorragend und erinnert das Publikum daran, dass es in Ordnung ist, anders zu sein. Man könnte sich allerdings auch fragen, ob sie wirklich gut aufspielt oder einfach perfekt für diese Rolle gecastet wurde. Es wäre interessant, die Schauspielerin einmal in einer anderen Rolle zu sehen als jener der zerstreuten Frau, die nicht in die Gesellschaft passt.
Jenna Ortega als aufmüpfige Goth-Tochter bleibt wiederum leider etwas blass. Obwohl sie optisch perfekt in die Welt von «Beetlejuice» passt – und zusammen mit Mutter Lydia und Grossmutter Delia einen willkommenen Kontrast zu den sich bekämpfenden Frauenfiguren des Originals bildet –, wirkt sie innerlich fast ein bisschen leblos. Neben den irrwitzigen Darstellungen ihrer Kolleg*innen wirkt sie zurückhaltend, als würde sie sich nicht trauen, aus der Norm auszubrechen. Schade, denn auch Ortega hätte hier die Chance verdient, ihren darstellerischen Spielraum zu erweitern und mit ihrem Typen-Casting zu brechen.
Dafür brilliert Willem Dafoe als aalglatter Polizist: Jede Szenen mit ihm ist ein Highlight. Doch trotz seiner prächtigen Performance wirkt seine Rolle so weit losgelöst vom restlichen Plot, dass er als Wolf Jackson fast schon in einem anderen Kinosaal spielen müsste. Es bleibt zu hoffen, dass Burton seine eigene Steilvorlage verwertet und schnellstmöglich «Wolf Jackson: Detective of the Underworld» dreht.
Doch so viel «Beetlejuice Beetlejuice» auch richtigmacht, ganz alles gelingt ihm nicht. Die grössten Schwächen liegen deutlich im Drehbuch von Alfred Gough und Miles Millar. Die Handlung wirkt ein wenig zusammengeschustert, da mehrere Erzählstränge nebeneinander existieren müssen: Beerdigungen, Hochzeiten, Liebesgeschichten, Familiendramen, Krimis und noch mehr. Es dauert daher lange, bis klar wird, worum es in der Geschichte überhaupt geht.
«Die Schwächen im Drehbuch nehmen im Verlauf des Films leider nicht ab, sondern zu. Besonders auffällig wird dies, als nach der Hälfte der Spieldauer plötzlich neue unnötige Plotelemente eingeführt werden.»
Besonders Monica Bellucci («Spectre», «The Man Who Sold His Skin») als rachsüchtige Ex-Frau von Beetlejuice ist eine verpasste Chance. Die Mörderbraut wird früh eingeführt, verschwindet jedoch schnell wieder im Hintergrund. Hie und da sieht man sie durch irgendwelche Gänge schleichen, damit das Publikum sie nicht völlig vergisst. Wäre Bellucci nicht so grossartig kostümiert, wären diese Szenen vollauf belanglos.
Die Schwächen im Drehbuch nehmen im Verlauf des Films leider nicht ab, sondern zu. Besonders auffällig wird dies, als nach der Hälfte der Spieldauer plötzlich neue unnötige Plotelemente eingeführt werden – darunter eine Teen-Romanze zwischen Jenna Ortega und einem Nachbarsjungen. Hier spielt Arthur Conti («House of the Dragon») einen Teenager mit Haaren im Gesicht, der irgendwo in seiner Mazzy-Star- und Replacements-Phase steckt und sich sofort in Astrid verleibt. Zwar wirken diese Szenen durchaus charmant, tragen aber herzlich wenig zur Geschichte bei. «When did that happen?», fragt Lydia erstaunt, als Astrid ihr von ihrem Date erzählt – und spricht damit den Zuschauer*innen aus der Seele.
Es wirkt so, als würden drei, vier, fünf gute Ideen gegeneinander tauziehen, ohne dass eine je die Oberhand gewinnt. Diese Vermutung erscheint nicht unberechtigt, wenn man bedenkt, dass quasi seit 1988 an einem Sequel herumgebastelt wurde. Schade, denn jede Idee hätte für sich allein gut funktioniert. Monica Bellucci, die sich an Beetlejuice rächen will? Super! Jenna Ortega auf der Suche nach ihrem verstorbenen Vater? Klasse! Winona Ryder, die nicht heiraten will? Grossartig! O’Hara, die den Tod ihres Mannes überwindet? Perfekt! Alle Plotelemente zusammen? Ein klumpiger Beetlesmothie statt ein süsser Beetlejuice!
«Der Film macht wahnsinnig viel Spass, und man spürt die Leidenschaft der Betiligten in jeder Szene. Die visuelle Gestaltung, die schrillen Figuren und die grossartige Atmosphäre tragen die Horrorkomödie trotz ihrer überfrachteten Handlung.»
Doch dass es bei der Erzählung mitunter etwas hapert, ist bei «Beetlejuice Beetlejuice» letztlich aber auch egal. Der Weg ist das Ziel – oder im Fall von Beetlejuice: «The Juice is loose». Der Film macht wahnsinnig viel Spass, und man spürt die Leidenschaft der Betiligten in jeder Szene. Die visuelle Gestaltung, die schrillen Figuren und die grossartige Atmosphäre tragen die Horrorkomödie trotz ihrer überfrachteten Handlung.
Es sind diese kreativen Details sowie Burtons unverwechselbarer Stil, die den Film aus der Masse der modernen Sequels herausheben. «Beetlejuice Beetlejuice» ist keinesfalls ein seelenloser Cash-Grab, sondern eine liebevolle Fortsetzung eines modernen Klassikers. Burton inszeniert das tatsächlich mit sehr viel Herz und Hirn und schafft es, die wichtigsten Elemente des Originals zu bewahren und teilweise sogar zu übertreffen. Wer den ersten Teil liebt, wird hier sicher nicht enttäuscht – und wer sich auf den Spass einlässt, bekommt ein wildes, unterhaltsames Abenteuer geboten.
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Kinostart Deutschschweiz: 12.9.2024
Filmfakten: «Beetlejuice Beetlejuice» / Regie: Tim Burton / Mit: Michael Keaton, Winona Ryder, Catherine O’Hara, Jenna Ortega, Justin Theroux, Monica Bellucci, Willem Dafoe, Arthur Conti / USA / 104 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
«Beetlejuice Beetlejuice» ist ein unterhaltsames und visuell beeindruckendes Sequel, das trotz einer überladenen Handlung überzeugt.
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