Best of 2024: Das sind die 15 Lieblingsfilme und -serien der Maximum-Cinema-Redaktion
Das Film- und Serienjahr 2024 ist zu Ende, und die Maximum-Cinema-Redaktion hat über ihre Lieblingstitel, die in den letzten 366 Tagen auf den Schweizer Kinoleinwänden und Streaming-Bildschirmen anliefen, abgestimmt. Es folgt – in alphabetischer Reihenfolge – die Top 15 des Jahres von Maximum Cinema.
«All of Us Strangers» von Andrew Haigh
Noch nie hat «The Power of Love» von Frankie Goes to Hollywood besser geklungen als hier. Das queere Liebesdrama «All of Us Strangers» von Andrew Haigh («Weekend», «45 Years») auf diesen Hit zu reduzieren, wäre jedoch ein fataler Fehler. Zu schön ist die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Andrew Scott und Paul Mescal, zu brillant der visuelle und thematische Inhalt – und zu herzzerreissend das Gefühl nach der erschütternden Schlussszene. Von A bis Z ein absolutes Meisterwerk über Liebe und Zugehörigkeit, das uns alle betrifft. / Jan Gross / Verfügbar auf Disney+, blue TV, Sky, Apple TV, DVD und Blu-ray / Zur ausführlichen Kritik
«Anora» von Sean Baker
Obwohl sich Regisseur und Drehbuchautor Sean Baker wohl vor allem dank seines feinfühligen Dramas «The Florida Project» (2017) grosser Beliebtheit erfreut, beweist er nach «Tangerine» (2015) und «Red Rocket» (2021) mit dem Palme-d’or-Gewinner «Anora» einmal mehr, warum er ein Meister der modernen Komödie ist. Die Geschichte der Stripperin Ani (grossartig: Mikey Madison), die sich auf eine folgenschwere Wirbelwindromanze mit dem russischen Oligarchenbengel Vanya (Mark Eydelshteyn) einlässt, ist eine hochdramatische, immer wider zum Schreien komische Mischung aus anregender Milieustudie und herausragend gespielter, herrlich absurder Screwball-Groteske. / Alan Mattli / Aktuell im Kino / Zur ausführlichen Kritik
«Baby Reindeer» von Richard Gadd
Trauma-Verarbeitung der anderen Art: Im Überraschungshit «Baby Reindeer» erzählt der schottische Schauspieler Richard Gadd nicht nur seine eigene wahre Stalking-Geschichte, sondern spielt auch gleich die Hauptrolle. Allein deshalb verdient die ergreifende Miniserie Beachtung. Raffiniertes Storytelling, die differenzierte Darstellung von Stalking als psychische Erkrankung sowie die herausragenden Darbietungen von Jessica Gunning und Nava Mau runden das ganze Spektakel perfekt ab. Kein Wunder, hagelt es neben tosendem Beifall auch Nominationen und Auszeichnung bei Emmys, Golden Globes und Co. / Jan Gross / Verfügbar auf Netflix / Zur ausführlichen Kritik
«Challengers» von Luca Guadagnino
Im Frühling gewann der Tennissport dank Regisseur Luca Guadagnino («Call Me by Your Name», «Bones and All») und seinem neuen Film «Challengers» wohl einige neue Fans – wobei das Tennis im Film letztendlich vor allem als Mittel zum Zweck dient. «Challengers» erzählt vom Liebesdreieck zwischen dem Tennissternchen Tashi (Zendaya), ihrem Ehemann und Tennisprofi Art (Mike Faist) und dem gemeinsamen Freund/Ex-Partner/Rivalen – ja, es ist kompliziert – Patrick (Josh O’Connor). Guadagnino inszeniert diese komplexen Dynamiken mit ausgeklügelten Rückblenden und raffinierten Dialogen, die genauso hitzig sind wie die rasanten Schlagabtausche auf dem Tenniscourt, und unterlegt alles mit einem mitreissenden Sounddesign. Dabei gelingt es dem Film, ebenso amüsant wie nuanciert die Wechselwirkungen zwischenmenschlicher Beziehungen, Lust und Macht zu beleuchten. / Aline Schlunegger / Verfügbar auf Apple TV, blue TV, Prime Video, Sunrise TV, Sky, Microsoft Store, DVD und Blu-ray / Zur ausführlichen Kritik
«Conclave» von Edward Berger
Nachdem Edward Bergers letzter Spielfilm, «Im Westen Nichts Neues» (2022), bei den Academy Awards in diversen Kategorien als Sieger hervorging, geht der schweizerisch-österreichische Regisseur auch in diesem Jahr erneut mit vielversprechenden Chancen ins Oscarrennen. Sein neuestes Werk, «Conclave» mit Ralph Fiennes («No Time to Die», «The Menu») in der Hauptrolle, ist ein packender Vatikan-Thriller, der die Machtkämpfe und Intrigen rund um die Papstwahl beleuchtet. Es ist beeindruckend inszeniertes Kino, das auf vielen Ebenen überzeugt: herausragende schauspielerische Leistungen, mitreissende Filmmusik und eine Handlung, die nicht nur tiefgründige Fragen über Religion und Politik aufwirft, sondern auch die eine oder andere unerwartete Wendung mit sich bringt. / Elena Stern / Aktuell im Kino
«Dune: Part Two» von Denis Villeneuve
1984 probierte sich David Lynch an einer Verfilmung des bekannten Science-Fiction-Romans «Dune» von Frank Herbert, aber sein kurioser Film fiel spätestens ab der Hälfte komplett auseinander. Regisseur Denis Villeneuve («Arrival», «Blade Runner 2049») hat seine Verfilmung stattdessen in «Dune: Part One» (2021) und «Dune: Part Two» aufgeteilt, und auch der zweite Film beweist, dass die Entscheidung richtig war. Erneut gelingt es Villeneuve mit seinen atemberaubenden Bildern, die Welt von «Dune» zu erfassen, ohne viel erklären zu müssen; und die Zweiteilung gibt ihm genügend Zeit, die inneren Konflikte von Paul Atreides (Timothée Chalamet) um seine «Messias»-Role und die ihn von allen Seiten umrankenden politischen Intrigen auszuarbeiten. / Nicoletta Steiger / Verfügbar auf Apple TV, blue TV, Microsoft Store, Sky, DVD und Blu-ray / Zur ausführlichen Kritik
«Flow» von Gints Zilbalodis
Einmal mehr stammt einer der besten Animationsfilme des Jahres nicht aus der Feder eines grossen Studios, sondern ist eine internationale Koproduktion. In «Flow» vom lettischen Regisseur Gints Zilbalodis («Away») muss sich eine Katze zusammen mit anderen Tieren gegen eine apokalyptische Sintflut behaupten. Der verspielte 3D-Animationsfilm häufte in den letzten Monaten eine Vielzahl von Preisen an, blieb an den Deutschschweizer Kinokassen mit knapp 2’500 Eintritten jedoch eher «Flop» als «Flow». Völlig zu Unrecht: Zilbalodis inszeniert seine wortlose Katzen-Odyssee mit viel Charme und Feingefühl und thematisiert dabei auch gekonnt Fluchterfahrungen, Rassismus und Heimweh. Ein grandioser Film. / Olivier Samter / Aktuell im Kino
«Furiosa: A Mad Max Saga» von George Miller
Wie aus dem Nichts knallte uns George Miller 2015 mit «Mad Max: Fury Road» einen der beeindruckendsten Actionfilme dieses Jahrtausends um die Ohren. Fast jeder war weggeblasen von Millers spätem Comeback zur Action-Franchise, die den Begriff «Roadmovie» einst neu definierte. Mit «Furiosa: A Mad Max Saga» liefert der Australier ein famoses Prequel nach, das sich diametral zu dem Vorgänger verhält: Erneut kehrt er auf die sandigen Strassen des Wastelands zurück, um die Ursprünge von Imperator Furiosa zu ergründen, und obwohl Miller dieses Mal eine sich über 15 Jahre erstreckende, ausufernde Geschichte erzählt, entfesselt er erneut eine Kino-Urgewalt. Der «Happy Feet»-Regisseur ist ein Meister des visuellen Erzählens, der auch bereit ist, neue Wege zu gehen, denn obwohl es viele Parallelen zum rauschhaften Vorgänger gibt, findet Miller seine ganz eigene Bildsprache, die mit jeder Pore den Geist der Vorgängers atmet, das «Mad Max»-Universum um neue Dimensionen erweitert und verhindert, dass «Furiosa» zum blossen Neuaufguss verkommt. George Miller hätte an vielen Abzweigungen falsch abbiegen können, nimmt aber doch meistens die richtige Ausfahrt. «Furiosa: A Mad Max Saga» bildet mit seinem grandiosen Vorgänger das perfekte Action-Double-Feature. / Matthias Ettlin / Verfügbar auf Apple TV, blue TV, Sky, Microsoft Store, DVD und Blu-ray / Zur ausführlichen Kritik / Zur Podcast-Diskussion
«Poor Things» von Yorgos Lanthimos
«Poor Things» lief bereits Anfang des Jahres in den Schweizer Kinos und zählte bei den Academy Awards zu den grossen Gewinnern: Gleich vier Oscars gingen an das Werk des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos («The Favourite», «Kinds of Kindness»), unter anderem für Emma Stone als beste Hauptdarstellerin. Im Zentrum steht Bella Baxter (Stone), die in einer grotesken, kunstvoll überzeichneten Welt ihren Weg zur Selbstbestimmung findet und dabei die ganz grossen Fragen zu Themen wie sexueller Autonomie, gesellschaftlichen Normen und Geschlechterrollen aufwirft. Lanthimos inszeniert diese in seinem charakteristisch bizarren und farbenfrohen Stil, getragen von einer hochkarätigen Besetzung und einer pointierten, satirischen Erzählweise. / Elena Stern / Verfügbar auf Disney+, Apple TV, Sunrise TV, blue TV, Microsoft Store, DVD und Blu-ray / Zur ausführlichen Kritik
«Ripley» von Steven Zaillian
In schlichter Schwarzweiss-Ästhetik inszeniert, legt Steven Zaillians Version von Patricia Highsmiths Roman «The Talented Mr. Ripley» (1955) den Fokus auf das psychologische Innenleben der Hauptfigur Tom Ripley, furchteinflössend gespielt von Andrew Scott («Sherlock», «All of Us Strangers»). Die minimalistischen, ruhigen Bildkompositionen und meisterhaft fotografierten Einstellungen verleihen der Serie eine bedrückende Eleganz. Film-Noir-Elemente betonen die mörderische Atmosphäre, während die italienischen Schauplätze bewusst kühl und beunruhigend leer dargestellt werden. Keine Serie hat die menschlichen Abgründe 2024 so schön und gleichzeitig so schrecklich in Szene gesetzt. / Simon Keller / Verfügbar auf Netflix / Zur ausführlichen Kritik
«The Room Next Door» von Pedro Almodóvar
In seinem englischsprachigen Langspielfilmdebüt setzt sich der spanische Melodramameister Pedro Almodóvar («Dolor y gloria», «Madres paralelas») mit den Überlappungen von Kunst und Tod auseinander – und erzielt bewegende, thematisch anregende, visuell betörende Resultate. Die Romanadaption über eine sich vorm Sterben fürchtende Schriftstellerin (Julianne Moore) und ihre wieder entfachte Freundschaft mit einer todkranken Kriegsreporterin (Tilda Swinton) stellt kluge, bisweilen auch provokante Fragen über die Spannung zwischen individuellem und gesellschaftlichem Leiden, über den Unterschied zwischen Leben und Überleben sowie über die Macht der Kunst, sowohl lebenserhaltendes Medium als auch lebensberaubender Sarkophag zu sein – alles verpackt in einer typisch Almodóvar’schen Frauengeschichte voller schwelender Emotionen. / Alan Mattli / Aktuell im Kino
«Shōgun» von Rachel Kondo und Justin Marks
Die Serie «Shōgun» erzählt die Geschichte des englischen Seefahrers John Blackthorne (Cosmo Jarvis), der im feudalen Japan um 1600 Schiffbruch erleidet und in die Gefangenschaft der Japaner gerät. Jedoch gelingt es ihm, die Gunst des mächtigen Fürsten Toronaga (Hiroyuki Sanada) zu erlangen und schliesslich sogar dessen Vertrauten für sich zu gewinnen. Dies zieht ihn allerdings in ein gefährliches Intrigenspiel der Feudalherren um die Macht in Japan hinein. Als ein Krieg bevorsteht, wird Blackthornes Loyalität auf die Probe gestellt, auch, weil er sich in seine Übersetzerin Mariko (Anna Sawai) verliebt hat. Der Zehnteiler erfüllt die höchsten Erwartungen und ist dank beeindruckender Bilder, fein gezeichneter Figuren – angeführt vom grandiosen Hiroyuki Sanada («The Last Samurai», «The Wolverine») – sowie einer erfrischend gezügelten Erzählweise so etwas wie der poetische grosse Bruder von «Game of Thrones» (2011–2019), ohne Fantasy, dafür mit mehr Untertiteln. Rachel Kondo und Justin Marks haben mit «Shōgun» eine beindruckende Miniserie geschaffen, mit der man nur zu gerne ins feudale Japan des frühen 17. Jahrhunderts eintaucht. Dank feiner Pinselstriche in der Inszenierung, der Poesie in den kleinsten erzählerischen Details und raffinierter Drehbücher hallt die Serie noch lange, lange nach. / Matthias Ettlin / Verfügbar auf Disney+ / Zur ausführlichen Kritik
«The Substance» von Coralie Fargeat
Schleimige Körperteile, eitrige Wunden, in die hineingestochen wird, ein schauderhaftes Sounddesign: «The Substance» ist Body-Horror par excellence und nichts für schwache Mägen oder ASMR-Phobiker*innen. In ihrem zweiten Langspielfilm rechnet Coralie Fargeat mit dem Jugend- und Schönheitskult der Hollywood-Maschinerie ab und zeigt schonungslos, wie die Hauptfigur Elisabeth Sparkle (Demi Moore) als jüngst ausrangierter Fernsehstar unter dem Wahn langsam zerfällt. Daraus resultiert ein ästhetisch inszenierter und herrlich grotesker Horrorfilm, der das Publikum mit tollen Gore-Effekten und akustischen Eskapaden belohnt und der in gleichem Masse unangenehm und faszinierend anzuschauen ist. / Zoe Wiss / Aktuell im Kino und verfügbar auf Apple TV, blue TV, Filmingo, Myfilm, Sky, Cinefile, Sunrise TV, Google Play und Cinu / Zur ausführlichen Kritik / Zur Podcast-Diskussion
«Tschugger» von David Constantin und Mats Frey
Die erfolgreiche Schweizer Kriminalgroteske «Tschugger» ging 2024 in die vierte und (vorerst) letzte Runde. Die tollpatschigen Walliser Cops Pirmin (Dragan Vujic) und Bax (David Constantin), der Möchtegern-Magnum-Superdetektiv mit Schnauzbart, stolpern dabei kopfvoran in eine weltumspannende Verschwörung, die sogar das Pentagon auf den Plan ruft. Dass diese finsteren Machenschaften die kriminalistischen Möglichkeiten in den Schweizer Alpen sprengen, ist schnell klar: Racletteöfen müssen als Folterinstrumente herhalten und Atombombentechnik aus dem Kalten Krieg erinnert uns alle daran, wie nützlich Disketten doch sein können. Haarsträubende Stunts à la James Bond sorgen nebst unverständlichen Walliserdeutsch für enorme Unterhaltung, und nach bestandener «Mission: Impossible» bleibt die Frage, was als Nächstes kommt. Dass «Der lätscht Fall» vorerst der letzte bleibt, ist logisch – aber Bax und Co. sind uns mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass eine Mission «Wallis Goes to Mars» durchaus vorstellbar wäre. Immerhin stehlen die «Tschugger» dem «Tatort» (1970– ) und dem staubigen «Zürich-Krimi» (2016– ) längst die Show. / Beate Steiniger / Verfügbar auf Play Suisse und DVD
«The Zone of Interest» von Jonathan Glazer
Wie erzählt man eine Geschichte über ein unfassbares Verbrechen? Jonathan Glazer («Under the Skin») beweist, dass ein Verbrechen nicht visuell sichtbar sein muss, um es sichtbar zu machen. Rudolf Höss (Christian Friedel) lebt mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und seinen Kindern in einem grossen «idyllischen» Landhaus. Höss ist auch der SS-Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, in dem mehr als eine Million Menschen während der Zeit das Nationalsozialismus umgebracht wurden und welches sich direkt neben besagtem Landhaus befindet. Das Innere des Lagers ist während des ganzen Films nie sichtbar – umso hörbarer dafür sind die Geräusche, die aus dem Lager dringen und das Höss-Familienleben stets begleiten. Unter anderem mit dieser Dissonanz von Audio und Bild kreiert Glazer eine tief einfahrende Filmstudie über jene, die diese Verbrechen begehen und jene, die dabei wegschauen. / Nicoletta Steiger / Verfügbar auf Apple TV, blue TV, Sunrise TV, Filmingo, Cinu, Myfilm, Cinefile, Sky, DVD und Blu-ray
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